Vulpius, Karl Osсar, Orthopäde
*30.01.1867, Boxberg (Baden), ev., +28.07.1936 Autounfall bei Untereisesheim, kremiert und begraben in Heidelberg, Bergfriedhof.
V Gustav Friedrich Adolph V. (1839-1917), Dr., Pharmazeut;
M Amalie Helene, geb. Holdermann (1842-1902)
G keine (?)
∞ 5.03.1894, Heidelberg Camilla Starck (1869-1936)
K 2: Roland (1895-1983), Günther (1904-1985),.
1875-1885 Besuch des Gymnasiums in Heidelberg
1885-1890 Studium Medizin in Heidelberg u. (WS 1888/89) in
Berlin
1887 VII 11 Physikum in Heidelberg
1890 XI 15 Promotion summa cum laude zum Dr. med. bei V.
Czerny; Diss.:"Die Radikaloperation der Hernien in
der vorderen Bauchwand"
1891-1896 Assistent der Chirurgischen Klinik bei Czerny
1893 I Klinischer Assistent u. ab 1894 Leiter der
neugeschaffenen orthopädischen Ambulanz
1894 II Habilitation in der Chirurgie; H.-schrift: "Beiträge zur Physiologie u. Chirurgie der Milz"; Probevorlesung: "Die Deformitäten im Lichte der Drucktheorie u. des Transportationsgesetzes"
1896 V 6 Erteilung des Lehrauftrags für Orthopädie durch das
Badische Kultusministerium
1896 VII 1 Eröffnung der orthopädisch-chirurgischen Klinik als Universitätsinstitut unter der Leitung V.
1902 XI 10 Ernennung zum a.o. Prof. der Universität Heidelberg
1906 VIII 2 Entziehung des Lehrauftrags für Orthopädie ab 1. Okt. 1906; Umwandlung der orthopädischen Klinik in eine Privatklinik
1909 I Eröffnung des provisorischen Krüppelheims für Kinder im Anschluss an die orthopädische Privatklinik unter der ärztlichen Leitung V. (im März 1913 in den Neubau in Rohrbach als Landeskrüppelheim umgezogen)
1912 VI Eröffnung des "Sanatoriums Solbad Rappenau" unter der ärztlichen Leitung V. (heute "Vulpius Klinik GmbH")
1914 VI Vorsitz beim 3. Krüppelfürsorgekongress in Heidelberg
1914-1918 Oberstabsarzt an der West- und Ostfront; E.K. I. u. II. Kl. u.a.
1919 VI Umwandlung des Landeskrüppelheims in die "Stiftung Orthopädische Universitätsklinik"; Rücktritt als leitender Arzt.
1925 Übergabe der orthopädischen Privatklinik, Umzug nach Bad Rappenau.
V. wurde in ein "pharmazeutisches Milieu" geboren: beide Eltern stammten aus Apothekerfamilien. Sein Vater zählte zu den bedeutendsten Pharmazeuten seiner Zeit. Um wissenschaftlich arbeiten zu können, verkaufte er 1872 seine Apotheke in Boxberg und übersiedelte nach Heidelberg. Er studierte in Heidelberg, promovierte 1873 in Jena und wurde bekannt durch seine zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen. 1876 beauftragte ihn der damalige Direktor der Medizinischen Universitätsklinik mit der Einrichtung und Leitung der Klinikapotheke in Heidelberg, die er bis zu seiner Pensionierung (1901) leitete; gleichzeitig publizierte er Dutzende von Fachabhandlungen. So wurde eine wissenschaftlich-medizinische Laufbahn V.s geradezu vorbestimmt. Wahrscheinlich erbte er von seinem Vater auch eine ausgeprägte literarische Ader, was sich in seinen zahlreichen Publikationen widerspiegelt: Dazu gehören nicht nur rein wissenschaftliche Werke, die durch ihren schönen Stil auffallen, sondern auch verschiedene Berichte, Artikel und Broschüren von eher populärem Inhalt - insgesamt veröffentlichte er mehr als 260 Aufsätze.
V. besuchte das Gymnasium in Heidelberg, das er mit dem Abschluss "sehr gut" beendete. Als einer der besten Abiturienten durfte V. bei der "Schlussfeierlichkeit" eine Rede ("Über die nationale Erhebung des Jahres 1809 in Oesterreich") halten. Nach dem Abitur leistete er die erste Hälfte seiner Militärpflicht beim Infanterie-Regiment 110 in Heidelberg und begann dann sofort sein medizinisches Studium. Er verbrachte es fast ausschließlich in Heidelberg, nur für ein Semester wechselte V. nach Berlin.
Nach dem bestandenen Physikum spezialisierte sich V. in der Chirurgie. Sein Doktorvater war Vinzenz Czerny (1842-1916), der den begabten Schüler großzügig förderte. V. bestand sein Rigorosum mit Hauptfach Chirurgie und fünf Nebenfächern, jeweils "summa cum laude" - mit ziemlich seltener Einmütigkeit aller sechs Professoren.
Nach der erfolgreichen Promotion und dem bestandenen Staatsexamen arbeitete V. ein Jahr als Volontärassistent bei Czerny. Er schloss eine Studienreise durch Deutschland und Österreich an und leistete dann die zweite Hälfte des Freiwilligen Jahres, diesmal als Arzt. Zum Herbst 1892 kehrte V. in die Chirurgische Klinik zurück.
Inzwischen schuf Czerny, der die Notwendigkeit der Spezialisation innerhalb der Medizin viel besser als seine Fakultätskollegen begriffen hatte, eine orthopädische Ambulanz im Rahmen der Chirurgischen Klinik und betraute V. mit deren Leitung, zunächst als Assistent: Er wusste, dass V. Interesse für die Orthopädie bereits gezeigt hatte. In seinem ersten Jahresbericht dankte V. Czerny "für seine Bemühungen bei der Gründung des neuen Instituts und für die stete Sorgfalt, mit welcher er die Entwickelung desselben zu fördern bestrebt war". (V., 1894, "Jahresbericht...", 118).
Die Periode, als V. diese orthopädische Anstalt leitete und ausbaute, war wahrscheinlich die beste seines Lebens. Anfang 1894 habilitierte sich V., wobei beide Referenten, Czerny und der Physiologe Wilhelm Kühne (1837-1900), seine Habilitationsschrift sehr positiv charakterisierten. Laut Czerny hat sie "einen erheblichen Werth"; er betonte, dass alle Arbeiten V.s "ihn als sehr fleißigen, geschickten und mit allen modernen Methoden wohlausgerüsteten Arbeiter erkennen lassen, von dem noch tüchtige Leistungen zu erwarten sind".
Bald folgte auch das wichtigste Ereignis im Privatleben V.: Er heiratete die Schwester seines jüngeren Kommilitonen und Freundes, Hugo Starck (1871-1956), der auch bei Czerny promovierte. Sein Familienleben litt darunter, dass V. von seiner Arbeit zu sehr besessen war. Bezeichnend ist, dass sein jüngerer Sohn Günther seine Doktorarbeit (1929) nicht den Eltern, sondern seinem Bruder gewidmet hatte.
Ab SS 1894 liest V. eine Vorlesung "Orthopädische Chirurgie" und führt Übungen über Massage durch. Im März 1895 stellt Czerny einen Antrag der Fakultät, in dem er auch erklärt, dass V. sich "mit vieler Mühe, Aufopferung der Zeit und für die kurze Zeit recht gutem Erfolg dem Unterricht in der Orthopädie gewidmet" hat. Orthopädie sei "zu einem unentbehrlichen Zweig des medizinischen Unterrichts geworden". Czerny hielt es deswegen "für notwendig" bei dem Ministerium "eine jährliche Renumeration von ca. 1000 M für den orthopädischen Unterricht zu befürworten". Nach einem Jahr, aber mit Wirkung vom 1. Januar 1896 erteilte das Ministerium V., entsprechend dem Antrag der Fakultät, den Lehrauftrag zur Abhaltung orthopädischer Vorlesungen und Übungen. Ab Juli 1896, nach der Vereinbarung mit Czerny, wandelte V. die orthopädische Ambulanz in eine orthopädische Poliklinik um - in einem von ihm privat erworbenen Haus in der Luisenstraße. Dabei bekam V. einerseits die Erlaubnis der Stadt, eine Privatklinik zu eröffnen, andererseits die Bewilligung der Fakultät für die Aufnahme der Poliklinik in die Reihe der Universitätsinstitute. So entstand in der Universität eine Basis für die Entwicklung der Orthopädie als selbständiges Fach.
Mit Hilfe eines Assistenten entwickelte V. die Behandlung orthopädisch Kranker sowie auch die Rekonvaleszenz für Unfallverletzte, die aus der Chirurgischen Klinik kamen. Bereits während des ersten Jahres, bis 1. Juli 1897, wurden 404 Patienten stationär behandelt. Am 29. Oktober 1898 wurde eine Feier aus Anlass des 1000. Patienten der Chirurgisch-Orthopädischen Klinik veranstaltet.
Wissenschaftlich-literarische Arbeit V.s ist in dieser Zeit buchstäblich stürmisch.
Er erarbeitete eine Verlängerungsmethode für die Achillessehne, die bis heute als "Vulpius.-Operation" in der Orthopädie angewendet wird. 1902 publizierte er eine Monographie darüber, die durch einen internationalen Preis (Umberto-Preis) ausgezeichnet wurde. Auch eine andere Operation, die sog. Arthrodese (operative Gelenkversteifung) des Schultergelenks, entwickelte V. in dieser Zeit. Es ist zu sagen, dass V., wie auch im ersten Fall, nicht der erste war, der eine solche Operation gewagt, wohl aber der erste, der ihre Bedeutung erfasst hatte und neue Ansätze zu ihrer Durchführung ersann. In V.s Version behielt letztere Operation ihre Bedeutung bis ins 3. Viertel des 20. Jahrhunderts.
Als Vertreter einer sich entwickelnden Disziplin überlegte und suchte V. ihre Grenzen und ihr Zusammenwirken mit verwandten Gebieten. So war eine der Zielrichtungen der Arbeit V.s von Anfang an eine sinnvolle Verknüpfung von Orthopädie und Traumatologie: Neben der orthopädischen Therapie beschäftigte er sich mit der Behandlung von Unfallverletzten. Später, während des Kriegs, bestätigte sich diese Einstellung V.s, aber er und Gleichgesinnte blieben in Deutschland noch lange in der Minderzahl: Erst 1957 fand die Umwandlung der "Deutschen Gesellschaft für Orthopädie" in die "Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie" statt.
V. hatte darüber hinaus wichtiges Grenzgebiet zwischen Neurologie und Orthopädie im Blick. Interessant ist seine spätere Bemerkung: "Vergleichen wir heute prüfend Grad und Sicherheit der Erfolge mittels Sehnenüberpflanzung und Nervenplastik, so stellt sich freilich die erstere als Goliath dar. Aber es lässt sich ahnen, dass ihr in der Nervenpfropfung ein sieghafter David ersteht" (V., 1910, 1320).
Gleichzeitig beteiligte sich V. sehr aktiv an verschiedenen wissenschaftlichen Versammlungen und Tagungen, zuerst, 1894-1896, im Naturhistorisch-medizinischen Verein zu Heidelberg, wo er u.a. bereits im Mai 1896 die ersten diagnostischen Verwertungen von Röntgenaufnahmen besprach, dann in nationalen Treffen, ab 1900 auch an internationalen Kongressen. All diese Versammlungen benutzte er als Tribüne für die werdende Disziplin Orthopädie, aber auch als Schule für sich selbst - und dies fast bis zum Lebensende.
Im Herbst 1902 wurde V. zum a.o. Professor befördert.
Die erfolgreiche akademische Laufbahn V.s setzte leider nicht fort. Mit der Emeritierung Czernys veränderten sich die Verhältnisse.
Es ist zu vermuten, dass der Nachfolger Czernys, Albert Narath (1864-1924), bei seinen Berufungsverhandlungen Forderungen um Wiedereingliederung der Orthopädie in die Chirurgie gestellt hatte. Jedenfalls richtete das Ministerium am 13. Juni 1906 einen Brief an die Fakultät mit dem Vorschlag, "anläßlich der Neubesetzung des chirurgischen Lehrstuhles" zu erwägen, ob V. der ihm erteilte Lehrauftrag "nicht entzogen werden sollte". Als Vorwand benutzte man den vor zwei Jahren stattgefundenen landgerichtlichen Prozess, in dem V. wegen angeblicher Fahrlässigkeit für schuldig befunden worden war. Die Fakultät folgte "einstimmig" dem ministerialen Vorschlag, wobei sie V. die angeblich "wissenschaftlich unwürdige Führung seiner Anstalt" als Grund vorwarf, und als wünschenswert erklärte, dass "die offizielle Vertretung der Orthopädie nunmehr wieder auf den Direktor der chirurgischen Klinik übertragen würde". (Ob Czerny da noch dabei war, bleibt offen).
Der tatsächliche Hintergrund dieser Entscheidung ist unklar und kann kaum erklärt werden. Wahrscheinlich spielte die ursprünglich konservative Einstellung der Fakultät gegen die Zersplitterung der Medizin in eigenständige Fächer eine Rolle.
Übrigens wurde die Venia legendi V. nicht entzogen (was bei der genannten Begründung logisch gewesen wäre!). So begann V., nach dem Ausscheiden Naraths im Jahr 1910, orthopädische Vorlesungen wieder anzukündigen, wenn auch ohne Lehrauftrag, nämlich "Chirurgische und therapeutische Orthopädie". Er hatte aber viel weniger Zuhörer, als vor zehn Jahren. Die Entscheidung der Fakultät bedeutete die unüberwindbare Schranke für die akademische Laufbahn V.s, sowie für die damalige Entwicklung der Orthopädie an der Heidelberger Universität.
Offensichtlich ließ dieses Unrecht eine tiefe Narbe. Jedenfalls stand in V.s testamentarischen Verfügungen, er wolle nicht, dass der Vertreter der Fakultät oder der Universität bei einer eventuellen Trauerfeier "Heuchelworte spricht" (Braun, 16).
Also wurde die Orthopädie als eigenständiges Universitätsinstitut aufgelöst. Das bedeutete glücklicherweise kein Ende der orthopädischen Tätigkeit von V. "In finanziellen Dingen hatte O. V. in der Regel eine glückliche Hand", so sein Enkel (Braun, S. 20). So konnte seine Klinik ihre Ausgrenzung aus der Universität gut überleben - sie war ja von Anfang an teilweise als Privatklinik gegründet. V. leitete sie erfolgreich bis 1925.
In der Zeit nach 1906 führte V. intensive medizinische, organisatorische und literarische Arbeit weiter.
Einen Meilenstein nicht nur in der Laufbahn V.s sondern in der Entwicklung der Orthopädie überhaupt bildete die klassische Monographie "Orthopädische Operationslehre", die V. zusammen mit seinem Mitarbeiter und Schüler Adolf Stoffel (1880-1937) verfasste und 1911-1913 publizierte. Das Grundprinzip, man möchte sagen, das Credo V.s besteht darin, dass "mit dem Schneiden die Behandlung meistens nicht zu beginnen hat, und dass mit demselben niemals beendigt ist." "Wer zum Messer greift, um eine orthopädische Operation auszuführen, der übernimmt damit die moralische Verpflichtung, die Nachbehandlung in exakter Weise durchzuführen". Mit diesem Prinzip verfasst wurde das Buch ein Ereignis in der damaligen Fachliteratur. Es erlebte drei Ausgaben und gilt als das bedeutendste Werk im reichen literarischen Erbe V.s.
In seiner Anstalt bemühte sich V. von Anfang an, arme Patienten, insbesondere Kinder kostenlos zu behandeln - ein Zeichen seines sozialen Engagements. Sein Versuch, bereits 1902 ein Krüppelheim in Baden zu etablieren, war zuerst erfolglos. Nach der Krüppelzählung in Deutschland, auch in Baden (1907), wurde die Notwendigkeit einer organisierten Krüppelfürsorge in Baden weithin anerkannt; nun gelang es V. ein provisorisches Krüppelheim für Kinder im Anschluss an seine orthopädische Privatklinik zu errichten. Gleichzeitig gründete V. den Badischen Landesverein zur Krüppelfürsorge, dessen Vorstand er 1908-1912 angehörte. In dieser Eigenschaft konnte V. an einem Neubau in Rohrbach mitwirken, den er im März 1913 als "Landeskrüppelheim" bezog. Im Juni 1914 präsidierte V. beim 3. Deutschen Kongress für Krüppelfürsorge in Heidelberg, wobei sein Krüppelheim durch die Teilnehmer besucht wurde.
Die dritte medizinische Anstalt, die mit maßgebender Unterstützung V.s gegründet wurde, ist "Das Sanatorium Solbad Rappenau GmbH". Es wurde ab 1912 für die Behandlung von Patienten mit Knochen- und Gelenktuberkulose eröffnet und durch V. bis zum Lebensende geleitet; heute existiert die Anstalt als "Vulpius Klinik GmbH Bad Rappenau".
V. war eindeutig deutsch-national eingestellt. Z. B. war er Mitbegründer der "Heidelberger Flugzeugstiftung für das Deutsche Reich" (1912). So ist es fast selbstverständlich, dass er sich mit dem Ausbruch des Kriegs sofort dem Militär zur Verfügung stellte. Ab August 1914 wurde V. als Chefarzt einer Reserve-Sanitätskompanie des 14. Armeekorps eingezogen. Bis Ende 1914 versorgte er die Verwundeten in den Vogesen und Nord-Frankreich. Die nächsten 7 Monate (Januar-Juli 1915) war V. als beratender Orthopäde für Nordbaden tätig. Gleichzeitig leitete er das orthopädische Feldlazarett in Heidelberg und organisierte insbesondere die Prothesenbeschaffung für Soldaten mit amputierten Gliedern. Nach dieser Zeit in Hinterland arbeitete V. wieder an der Westfront in Kriegs- und Feldlazaretten, meistens als Chefarzt. Von Mitte November 1917 bis Anfang Mai 1918 wirkte V. an der Ostfront, in Lettland, als beratender Chirurg des 20. Armeekorps. Ab 5. Mai 1918 und bis zum Kriegsende leitete V. ein Frakturenlazarett in Roubaix an der französisch-belgischen Grenze. Die 1997 veröffentlichten Auszüge aus den Kriegstagebüchern V.s zeigen seine volle Hingabe an Soforthilfe für Verwundete, aber auch die Grausamkeiten des Krieges.
Nach dem Krieg wurde das Arbeitsgebiet V.s etwas beschnitten: Er musste seine Arbeit als Anstaltsarzt des Landeskrüppelheims in Rohrbach abgeben, weil das Heim von der "Stiftung Orthopädische Universitätsklinik" übernommen wurde. Das Hinausdrängen V.s aus der durch ihn gegründeten Anstalt wirkt als weiteres Unrecht der Universität gegenüber V.. Seine Privatklinik leitete er bis 1925, als er endgültig nach Bad Rappenau umsiedelte, vermutlich, wegen der Krankheit seiner Frau. Seine Klinik überließ V. seinem Oberarzt Hugo Görres (1882-1946).
Die bedauerliche Geschichte mit der Entziehung des Lehrauftrags brachte einen dunklen Fleck auf das Ansehen V.s unter seinen deutschen Kollegen - und hielt mehr als zwei Jahrzehnte an. Dies wurde klar 1928, als die Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft nicht auf V. fiel. Nun reichte es V. Er stellte an die Badische Ärztekammer das Gesuch, ein ärztliches Ehrengericht zu berufen. Dieses Ehrengericht kam zum Beschluss, dass die Gründe für die Entziehung des Lehrauftrags weder ehrenrühriger noch standeswidriger Natur gewesen seien. Diese Beurteilung gab dem Vorstand der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft den Anlass, V. völlig zu rehabilitieren. Das Gesamtergebnis war jedoch, dass V. im Ausland mehr als in Deutschland Anerkennung fand. Z. B. charakterisierte die "Große Medizinische Enzyklopädie" der UdSSR um 1930 V. als "hervorragenden deutschen Orthopäden" und gab im Artikel "Vulpius" eine gute Übersicht über seine Leistungen.
Das rastlose Leben V. endete unerwartet in einem Autounfall. In der Geschichte der Medizin bleibt sein Name als einer der bedeutendsten deutschen Orthopäden der ersten Generation.
Q StadtA Boxberg: Boxberger evangelisches Kirchenbuch; Biographische Sammlung; Auskunft vom 26.07.2010; UA Heidelberg: Studentenakte V.; PA 1228, PA 6191 (Personalakte V.); Rep. 27, Nr. 1364 (Akademische Quästur V.); H-III-111/114, Bl. 161-168 (Promotion V.); H-III-111/120, Bl. 120-128 (Habilitation V.); H-III-111/149 u. H-III-111/150 (Akten d. Med. Fak. -Entziehung des Lehrauftrags); Auskünfte aus dem StadtA Heidelberg vom 5.08.2010 u. Via Monumentum e.V. Heidelberg vom 28.08.2010 und 4.11.2010
W Die Radikaloperation d. Hernien in d. vorderen Bauchwand, in: Beiträge zur klinischen Chirurgie 7, 1891, 91-134; Erster Jahresbericht d. Ambulanz für orthopädische Chirurgie, in: Zs. für orthopädische Chirurgie 3, 1894, 101-118; Zweiter Jahresbericht d. Ambulanz für orthopädische Chirurgie und Massage an d. Heidelberger chirurgischen Universitätsklinik, in: ebd., 4, 1896, 9-33; Zur Verwertung d. Röntgenstrahlen, in: Deutsche med. Wochenschrift 22, 1896, 480f.; Casuistik d. Röntgen?schen Schattenbilder, in: Münchener med. Wochenschrift 43, 1896, 609-611; Zur Casuistik d. Sehnentransplantation, in: ebd., 44, 1897, 409f.; Zur Sicherung d. Asepsis bei Operationen, in: ebd., 45, 1898, 595; Aus d. orthopädisch-chirurgischen Praxis, 1898; Mechanische Orthopädie, in: Handbuch d. physikalischen Therapie, Hg. von A. Goldscheider u. P. Jacob, Teil I., Bd. 2, 1901, 306-330; Die Sehnenüberpflanzung u. ihre Verwertung in d. Behandlung d. Lähmungen, 1902; Das Krüppelheim, 1902; Über die Arthrodese des paralytischen Schlottergelenkes d. Schulter, in: Archiv für klinische Chirurgie 69, 1903, 116-133; D. heutige Stand d. Sehnenplastik, in: Zs. für orthopädische Chirurgie 12, 1904, 1-15; Neurologie u. Orthopädie, in: Münchener med. Wochenschrift 51, 1904, 1721-1727;
Von d. Ärztefahrt zum Lissaboner Kongress, in: ebd., 53, 1906, 1022f., 1068f., 1118-1121; Die Orthopädie als Spezialität u. ihre Begrenzung, in: ebd., 55, 1908, 239f.; Die Arthrodese des Schultergelenks, in: Zs. für orthopädische Chirurgie 19, 1908, 130-171; Die Behandlung d. spinalen Kinderlähmung, 1910, Übersetzung ins Englische 1912, ins Russische 1913, ins Französische 1914; Orthopädische Therapie, in: Handbuch d. Neurologie, Hg. von M. Lewandowsky, Bd. I, Teil 2, 1910, 1299-1321; (mit A. Stoffel) Orthopädische Operationslehre, 1911-1913, 21920, 31924; Über die Sehnenverlängerung durch das ?Rutschenlassen?, in: Münchener med. Wochenschrift 61, 1914, 710; Kriegsorthopädisches, in: Deutsche med. Wochenschrift, 41, 1915, 785-788, 819-822, 848-852, 881-883; Zur Technik d. Frakturenbehandlung, in: ebd., 44, 1918, 1377-1380; Aus 25 Jahren Orthopädischer Arbeit. Eine therapeutische Orientierung für den praktischen Arzt, 1920; Fragen u. Antworten zur Behandlung d. Knochen- u. Gelenktuberkulose, in: Acta chirurgica Scandinavica 67, 1930, 970-978; Auszüge aus den Kriegstagebüchern, in: Braun (s. L), 148-181.
L V., O., in: Reichshandbuch d. Gesellschaft, 1931, Bd. 2, 1966 (B); I. Fischer, Biographisches Lexikon d. hervorragenden Ärzte d. letzten fünfzig Jahre, 1880-1930, Bd. 2, 1933, 1629; A. Wollenberg, O. V.+, in: Zs. für Orthopädie u. ihre Grenzgebiete 65, 1936, 203f. (B); D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932, 1986, 279; M. Jung, O. V., sein Lebenswerk u. seine Bedeutung für die Orthopädie von damals u. heute, Diss. med., Heidelberg, 1995 (mit Bildern u. Schriftenverzeichnis); A. Kreuter, Deutschsprachige Neurologen u. Psychiater. Ein biogr.-bibliogr. Lexikon, 1996, Bd. 3, 1514f.; A. Braun (Hg.), O. V. - Leben u. Werk. Ein Wegbereiter d. Orthopädie u. orthopädischen Chirurgie in Heidelberg, 1997 (mit zahlreichen Bildern u. Schriftenverzeichnis).
B Vgl. L; Chronik d. Ärzte Heidelbergs, 1985, S. 205.